Über
meinen zweiten Nachtdienst möchte ich etwas ausführlicher
berichten. Es war einer der krassesten Dienste in meiner jungen Karriere. Ab 17
Uhr sind wir nicht nur die Normalstation, sonder auch die Notaufnahme. Man
könnte meinen, dass in einem kleinen Dorf in den Anden nichts passiert, doch
fast jeden Abend kommen Notfälle herein… (was für ein Glück, dass es überhaupt ein
Krankenhaus vor Ort gibt.)
Die Übergabe war kürzer. Zum Glück
weniger Patienten, nur noch 35 oder so. Mit mir waren wir zu 3 im Dienst. 20
Uhr erster Rundgang. 20.15 Uhr
auf dem Flur wird es immer lauter. Warum sind auf einmal so viele Ärzte auf
Station? Ich höre meine Kollegin telefonieren mit der Direktorin Martina. „Ich
weiß nicht wie tief der Schnitt ist. Er ist am Hals. Es blutet unaufhörlich.“
Im Emergencia-Raum stehen 5 Ärzte um ein Mädchen mit 16
Jahren herum. Überall ist Blut zu sehen. Die
Chirurgen, beide in ihren Sportkleidern, frisch vom Basketballtraining
hergedüst, besprechen die OP. Das OP-Team wird einbestellt. Warten auf den
Anästhesisten. 21 Uhr Not-OP beginnt. Weiter geht es mit dem Rundgang.
21:30 Uhr Quechuaoma mit Verdacht auf Schenkelhalsbruch, Röntgenabteilung anrufen, Befund: eindeutig. Versorgung der älteren Dame mit genügend Schmerzmittel. Endlich schlief sie. Weiter mit dem normalen Betrieb.
22:45 Uhr Hilferuf aus Zimmer 116. Patient liegt nur noch mit dem Oberkörper auf dem Bett. Infusionsschläuche stehen unter Spannung. Die Tochter beugt sich unter ihm. Keine Reaktion. Zu dritt mobilisieren wir ihn ins Bett. Reanimation. Die zuständige Ärztin wird angerufen. Keine Pupillenrektion. Reanimation wird eingestellt, zu spät. Der Herr gibt, der Herr nimmt, sagte der Sohn, als er kam. Wie Recht er hat. Ich lerne, dass im Leben nichts selbstverständlich ist und wir immer genügend Gründe haben um Gott zu danken. Versorgung des Verstorbenen.
2:00 Uhr Patientin kommt vom OP zurück. Sie schläft. Medikamenten richten für den nächsten Tag. Rundgang.
4:00 Uhr Panik aus dem Emergencia-Raum. Die Patientin ist erwacht. „Er will mich umbringen. Mein Freund wollte mich umbringen.“ Unter Tränen und mit leiser Stimme erzählte sie mir die traurig Geschichte, die im kleinen idyllischen Andendorf geschah. Sie gingen spazieren, immer weiter weg vom Dorf. Sie hatte schon ein ungutes Gefühl, wollte wieder nach Hause gehen. Er war wütend, weil sie nicht mit ihm nach Lima gehen möchte. Auf einmal packte er sie. Hielt ihr den Mund mit der Hand zu und flüsterte, dass sie nicht schreien soll und weiter laufen soll. Es kam zum Streit. Er packte sein Messer aus und rammte es ihr in den Mund. Der rechte Mundwinkel, die ganze linke Seite der Zunge und der Gaumen waren brutal zerfetzt. Da war der Schnitt am Hals fast noch das kleinere Übel. Die rechte Hand war mit betroffen. Sie wehrte sich. Auch hier im kleinen Curahuasi macht das Schrecken kein Halt. Im Gegenteil… die Armut hat viele Schattenseiten.
21:30 Uhr Quechuaoma mit Verdacht auf Schenkelhalsbruch, Röntgenabteilung anrufen, Befund: eindeutig. Versorgung der älteren Dame mit genügend Schmerzmittel. Endlich schlief sie. Weiter mit dem normalen Betrieb.
22:45 Uhr Hilferuf aus Zimmer 116. Patient liegt nur noch mit dem Oberkörper auf dem Bett. Infusionsschläuche stehen unter Spannung. Die Tochter beugt sich unter ihm. Keine Reaktion. Zu dritt mobilisieren wir ihn ins Bett. Reanimation. Die zuständige Ärztin wird angerufen. Keine Pupillenrektion. Reanimation wird eingestellt, zu spät. Der Herr gibt, der Herr nimmt, sagte der Sohn, als er kam. Wie Recht er hat. Ich lerne, dass im Leben nichts selbstverständlich ist und wir immer genügend Gründe haben um Gott zu danken. Versorgung des Verstorbenen.
2:00 Uhr Patientin kommt vom OP zurück. Sie schläft. Medikamenten richten für den nächsten Tag. Rundgang.
4:00 Uhr Panik aus dem Emergencia-Raum. Die Patientin ist erwacht. „Er will mich umbringen. Mein Freund wollte mich umbringen.“ Unter Tränen und mit leiser Stimme erzählte sie mir die traurig Geschichte, die im kleinen idyllischen Andendorf geschah. Sie gingen spazieren, immer weiter weg vom Dorf. Sie hatte schon ein ungutes Gefühl, wollte wieder nach Hause gehen. Er war wütend, weil sie nicht mit ihm nach Lima gehen möchte. Auf einmal packte er sie. Hielt ihr den Mund mit der Hand zu und flüsterte, dass sie nicht schreien soll und weiter laufen soll. Es kam zum Streit. Er packte sein Messer aus und rammte es ihr in den Mund. Der rechte Mundwinkel, die ganze linke Seite der Zunge und der Gaumen waren brutal zerfetzt. Da war der Schnitt am Hals fast noch das kleinere Übel. Die rechte Hand war mit betroffen. Sie wehrte sich. Auch hier im kleinen Curahuasi macht das Schrecken kein Halt. Im Gegenteil… die Armut hat viele Schattenseiten.
Trotz
all der traurigen Ereignisse in meinem zweiten Nachdienst war ich innerlich froh und glücklich hier zu
sein. Denn sie hat überlebt! Es waren genügend Ärzte da. Das Krankenhaus hatte
genug Kapazität. Wir konnten vor Ort helfen! Wie ein Wunder schaffte sie es
überhaupt ins Krankenhaus zu kommen. Wie
selbstverständlich rannten alle Ärzte aus ihrem Frei ins Krankenhaus, obwohl
sie am nächsten Tag wieder normal zum Tagdienst kommen mussten. Woher nehmen wir alle die Kraft und die Freude
an der Arbeit und am helfen? Der
Glaube kann Berge versetzten und kann Freude ins Herzen legen, wo nur
Dunkelheit herrscht. Auch die Patientin ist Christin. Ich holte ihre Bibel aus
dem Rucksack und las ihr vor. Gemeinsam beteten wir und dankten Gott, dass sie
den Mordversuch überlebt hat.
Es ist ein ganz besonders
Krankenhaus, ein Krankenhaus voller Hoffnung für diese abgelegene Gegend, ein
letzter Strohhalm für viele Quechuaindianer, eine humanitäre Hilfe, in dem
Menschen behandelt werden, egal wie viel sie bezahlen können, ein professionelles
Team für die Ärmsten, eine Mission mit Herz und Hand.
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